SVSW Pressemitteilung
13. Dezember 2024
In ein paar Worten zusammenfasst: In der Auseinandersetzung zwischen den selbsteinkellernden Weinbauern und dem Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) betreffend die Kellerkontrolle kam es endlich zur Aufnahme von Verhandlungen. Die erste Sitzung am 18. Juni 2024 mit der Schweizer Weinhandelskontrolle (SWK), dem BLW und den selbsteinkellernden Weinbauern war ein positives und konstruktives Rendez-vous. Drei Tage später erhielten die selbsteinkellernden Weinbauern von der SWK eine Verwarnung, gegen die sie beim BLW Einspruch erhoben. Auf völlig illegale Weise und praktisch mit Machtmissbrauch entschied das BLW, diesen Antrag zurückweisen. Die selbsteinkellernden Weinbauern erhoben nun ihrerseits Einspruch beim Bundesverwaltungsgericht (BVGer), das den Weinbauern Recht gibt und das BLW beauftragt, sich mit diesem Einspruch zu befassen. All dies ereignete sich mitten in der Traubenernte, nach einer für die Schweizer Weinbauern sehr schwierigen Saison und trotz der Eingeständnisse von Bundesrat und Parlament, dass die Landwirte und Weinbauern unter administrativer Überlastung leiden und wofür man jetzt nach Erleichterungen sucht.
In der berühmten Serie «Administrative Belastung der Bäuerinnen und Bauern» ist dies eine x-te, aber noch groteskere Episode als die vorhergehenden in unserem Tauziehen mit dem BLW und der SWK. Das BLW missachtet nicht nur das Grundprinzip für jede Art von Verhandlungen, d.h. Vermeiden aller Diskussionen möglicherweise vergiftenden Aktionen, sondern demonstriert auch eine haarsträubende Verbissenheit in administrativen und verfahrensrechtlichen Angelegenheiten.
Nach über sechs Jahren politischer Kämpfe und gerichtlichen Verfahren starteten am 18. Juni 2024 endlich Verhandlungen mit dem BLW und der SWK. Drei Tage später erhielten zahlreiche Selbsteinkellerer eine Verwarnung plus Androhung von Schreibgebühren wegen „Unterbliebenen Jahresmeldungen Inventar und/oder Mengenumsatz“, obwohl dieses Thema im Mittelpunkt der gegenwärtigen Verhandlungen steht. Ungefähr 30 Winzer-innen erhoben termingerecht Einspruch beim BLW. Zur Einleitung der Einspruchsverfahren verlangte das BLW einen Kostenvorschuss von CHF 500.- pro Winzer-in, ein disproportionierter Betrag, da diese Einsprüche rigoros identisch sind. Die Schweizerische Vereinigung der Selbsteinkellernden Weinbauern (SVSW) entschied daher, nur einen einzigen Einspruch zu erheben und zu bezahlen, und ersuchte darum, dass der Entscheid für alle anderen, gleichen Einsprüche gelten soll. Obwohl unsere Anfrage sinnvoll ist und trotz den gegenwärtig laufenden Verhandlungen zu diesem Thema hat das BLW den kollektiven Einspruch abgewiesen.
Und als ob dies nicht genügte, ergriff der Juristische Dienst des BLW danach ungewöhnliche administrative Schikanen für diesen alleinigen Einspruch und versuchte mit allen Mitteln, diesen abzuweisen und nicht darauf einzugehen. Es brauchte Ausdauer und eine Beschwerde beim BVGer, um das BLW zum Nachgeben zu zwingen. Mit dem Entscheid vom 3. Dezember 2024 beauftragte das BVGer, sich mit diesem Einspruch zu befassen.
Wie konnte es so weit kommen ? In einem ersten Manöver verlangte das BLW die Einzahlungsbestätigung für den Kostenvorschuss, betrachtete die Überweisung jedoch als verspätet, da diese erst einen Werktag nach dem abgelaufenen Termin auf dem Konto eingetroffen sei. Obwohl die Traubenernte soeben begonnen hatte, kamen wir dieser Aufforderung nach, bereiteten die Einzahlungsbestätigungen vor und sandten den Brief als Einschreiben unter Respektierung des angegebenen Termins. Obwohl das BLW dieses Einschreiben in Empfang genommen hatte, entschied dieses Bundesamt, den Einspruch abzuweisen, da wir die Einzahlungsbestätigung des Kostenvorschusses nicht rechtzeitig eingereicht hätten.
Wir waren überrascht und dachten an eine Verwechslung, weshalb wir per Email verschiedene BLW Mitarbeiter, die sich mit diesem Fall befassen, aber auch Bundesrat Guy Parmelin kontaktierten und allen die per Einschreiben eingereichten Unterlagen sowie Nummer des Einschreibens schickten. Wir sprachen auch telefonisch mit der Leiterin des Juristischen Dienstes im BLW und erklärten ihr den Fall. Obwohl sie die Angelegenheit genau kannte und vor allem auch über die Zustellung an das BLW des Einschreibens mit dem Beweis der termingerechten Überweisung informiert war, bestätigte sie die bereits vorher getroffene Entscheidung, dass der Einspruch nicht angenommen wird.
All dies widerspricht deutlich dem Bundesgesetz über das Verwaltungsverfahren, denn es handelt sich um flagrante Rechtsverweigerung und Autoritätsmissbrauch.
Wir sahen uns daher gezwungen, diese Angelegenheit vor Gericht zu bringen, um das BLW zur Respektierung der Gesetzgebung zu zwingen. Dieses ganze Hin- und Her ist aufreibend, und man könnte sich fragen, welches Ziel mit dieser Strategie erreicht werden soll, obwohl mit dem BLW jetzt direkte Verhandlungen stattfinden, die sich spezifisch mit dem Abbau der administrativen Belastung befassen …
Ausser dem Weinsektor unterstützen uns auch zahlreiche Parlamentarier: Der Nationalrat nahm im September 2023 das Postulat 21.4446 an, auf das der Bundesrat noch antworten muss, während im Ständerat die Motion 24.3375 im Mai 2024 angenommen wurde, die demnächst im Nationalrat behandelt wird. Sogar Bundesrat Guy Parmelin anerkennt die Bedeutung und den Impakt einer Lockerung der administrativen Belastung für kleine Unternehmen (siehe Anhang).
Die Lage ist kafkaesk: bei jeder neuen Etappe ergiesst sich über uns eine weitere Salve von zusätzlichem Papierkram und Unkosten, obwohl wir spezifisch für eine Lockerung der administrativen Belastung kämpfen.
Wir sind bodenverbunden und möchten unsere handwerkliche Tätigkeit weiterhin so ausüben können, dass wir noch etwas „Erde unter unseren Schuhsohlen spüren“ anstatt unsere Nasen in Papierkram zu stecken. Die administrative und finanzielle Überbelastung gefährdet die Zukunft unseres Berufsstandes.
• 1. Januar 2018: Inkrafttreten der neuen Weinverordnung, Opposition der gesamten Weinbranche gegen die „neue Kellerkontrolle“, die zu einer Vervierfachung des Kosten und einer Erhöhung der administrativen Auflagen geführt hat.
• 2019 – 2024: Opposition gegen die Kellerkontrolle von über 80 unabhängigen, selbsteinkellernden Weinbauern. Sammeleinspruch beim BVGer, zahlreiche gerichtliche Verfahren auf Kantonsebenen; parallel dazu politische Aktionen (Postulat 21.4446, Motion 24.3375 etc.)
• 11. Januar 2024: Prinzipieller Entscheid des BVGer
• 18. Juni 2024: Verhandlungsbeginn mit dem BLW und der SWK im Rahmen der Arbeitsgruppe „Vereinfachung der administrativen Kontrolle des Weinhandels».
• 20. – 21. Juni 2024: Die SWK schickt an zahlreiche selbsteinkellernde Weinbauern Verwarnungen plus Androhungen von Geldstrafen wegen „Fehlen der Inventarerklärung", obwohl dieses Thema im Mittelpunkt der gegenwärtigen Verhandlungen steht. Circa 30 Weinbäuerinnen und – bauern erheben Einspruch.
• Juli 2024: das BLW verlangt CHF 500.- Kostenvorschuss für die Behandlung des Einspruchsverfahrens. Angesichts dieser horrenden Unkosten entscheidet die SVSW, nur einen Rekurs einzureichen und ersucht, dass dieser als Sammel-Rekurs betrachtet wird, da alle Fälle identisch sind.
• 19. September 2024: Das BLW verweigert die Annahme des Sammel-Rekurses.
• 23. August 2024: fristgerechte Einzahlung des Kostenvorschusses durch einen Einsprucherheber (Weingut La Devinière in Satigny)
• 12. September 2024: Das BLW verlangt eine Bestätigung der Überweisung des Kostenvorschusses
• 23. September 2024: Das Weingut La Devinière sendet per Einschreiben die Bestätigung der Einzahlung vom 23. August 2024
• 4. Oktober 2024: Das BLW verweigert erneut die Annahme des Einspruchs, da die Einzahlung erst am 26. August eingetroffen ist.
• 8. Oktober 2024: Das Weingut La Devinière wechselt den Kommunikationskanal, da Einschreiben anscheinend nicht im BLW verteilt werden und schickt nun Emails; dazu kommt ein Telefongespräch mit der Leiterin des Juristischen Dienstes im BLW.
• 10. Oktober 2024: Keine Änderung der Lage - das BLW besteht weiterhin darauf, die verschiedenen Einzahlungsbeweise nicht erhalten zu haben, weshalb der Einspruch zurückgewiesen wird.
• 28. Oktober 2024: Einreichung eines Rekurses beim BVGer
• 3. Dezember 2024: Entscheid des BVGer, dass das BLW sich mit unserem Einspruch befassen muss.
• Entscheid des BVGer vom 03.112.2024 B-6770/2024
> SVSW Schreiben an Bundesrat Guy Parmelin 30.07.24 „Wut der Bauern – nach Worten erwarten wir Taten“
> Antwort von Bundesrat Guy Parmelin vom 19.08.2024 (hier auf Link klicken)